Über das Gefühl in Konflikt- und Krisensituationen tatsächlich verstanden zu werden
Das Gefühl eines Menschen verstanden zu werden, hat eine heilsame Wirkung. Insbesondere in Konflikt- und Krisensituationen, wirkt aufrichtige Anteilnahme und ernsthaftes Interesse an der Person und dem Geschehen auf einer tieferen Ebene sehr heilsam. Ehrliches verstanden werden ist der Einstieg für die Auflösung einer Konfliktsituation und kann Auswege aus der Krise bieten. Mit Hilfe einer ehrlichen, den Menschen zugewandten Einfühlung, kann der Betroffene auf eine sanfte Weise weg von der zerstörerischen Energie hin zu Lösungsansätzen und Auswegen geführt werden. Konflikte mit Empathie lösen ist eine Klärungsmöglichkeit auf rein menschlicher Ebene, die keine komplexen Methoden erfordert, sondern eine innere Haltung.
Wie fühlt sich ein Mensch in einer Konflikt- oder einer Krisensituation?
Insbesondere in Konflikt- oder
Krisensituationen, in denen die Beteiligten auf einen respektvollen und den
Menschen zugewandten Umgang verzichten, kann es zu tiefgreifenden menschlichen
Verletzungen kommen. Beschreiben wir uns selbst in einer Konflikt- oder
Krisensituation, verfügen wir über eine sehr bildhafte Sprache.
- Ich koche vor Wut.
- Mir platzt gleich der Kragen.
- Das macht mich rasend.
Das alles sind Sätze die jeder von uns
kennt. Wie ein Stier in der Arena, der sich in Todesangst befindet, sehen wir
einfach nur noch rot. Diese Worte beschreiben tiefliegende Gefühle wie Verzweiflung,
Ohnmacht, Angst, Wut und Aggression. Abgrundtiefer Hass, verbunden mit dem
Wunsch der totalen Vernichtung des Gegenübers, sind in Konflikt- und
Krisensituationen keine Seltenheit.
Konflikte mit Empathie lösen ist der Schlüssel
Sucht ein Betroffener in einer Konfliktsituation Unterstützung, ist eine empathische Einfühlung unverzichtbar. Durch das Gefühl tatsächlich verstanden zu werden, wird der Kontakt offener, der Mensch zugänglicher, erreichbarer und kooperativer.
Durch gutes Zuhören und die volle Konzentration auf die Bedürfnisse des Betroffenen verwandelt sich die Qualität der Arbeitsbeziehung. Ein lösungsorientiertes Miteinander wird möglich.
Wichtig: Niemals den zweiten Schritt vor dem ersten tun!
Doch was passiert, wenn dieser erste wichtige Schritt, das tatsächliche verstanden werden, ausbleibt?
Fühlt sich ein Mensch in einer Konflikt- oder Krisensituation nicht gesehen und verstanden, kann er unter Umständen in eine noch tiefere Krise gestürzt werden. Es kocht und brodelt unter der Oberfläche weiter. Die anfängliche Wut potenziert sich und ein Desaster zeichnet sich ab. Ein vorschneller Einstieg in die Lösungsfindung und die übereilte ressourcenorientierte Betrachtung bilden daher eine echte Gefahr für den Betroffenen und sein Umfeld.
Welche Fehler werden im Umgang mit Konflikt- und Krisensituationen gemacht?
- Bagatellisierung – Die Situation wird heruntergespielt.
- Sympathisieren mit der Gegenseite – Ich kann den anderen schon verstehen.
- Deckelung – Der vorschnelle Blick auf das Positive – Und, was kannst du aus dieser Situation lernen?
- Verständnis für die Gegenseite wird gefordert – Versetzt dich doch mal in die Lage des anderen!
- Die Gefühle werden geschmälert – Ach, das ist doch alles halb so schlimm! Andere Mütter haben auch schöne Söhne!
- Vergleiche mit anderen – Xyz hat es noch viel schlimmer getroffen!
- Selbstvergleich – „Als ich in deiner Situation war…“
- Direkte oder indirekte Schuldzuweisungen – Das ist ja klar, dass dir das passiert! Du bist selbst schuld!
- Geheucheltes Verständnis – JA, aber…
In der ersten Phase der Konfliktklärung sind diese Art von Rückmeldungen und Interventionen wenig hilfreich. Sie verschlimmern die Situation und tragen zur Eskalation bei. Die Betroffenen fühlt sich unverstanden, nicht gesehen und die unangenehmen Gefühle verschärfen sich.
Warum fällt sogar Profis Empathie so schwer?
Konflikte mit Empathie lösen wird den wenigsten Menschen in die Wiege gelegt. Empathie setzt sowohl die persönliche Fähigkeit als auch die Bereitschaft zur Einfühlung in eine andere Person und Situation voraus. Menschen, die über eine natürliche Fähigkeit zur Empathie verfügen, fällt Einfühlung leichter. Darüber hinaus lässt sich die Fähigkeit empathisch zu reagieren, trainieren. Die Methode der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg ist hier ein hilfreicher Ansatz.
Doch neben der Möglichkeit Empathiefähigkeit zu trainieren, ist die innere Bereitschaft Empathie zu geben, noch entscheidender. Sich für eine Zeit voll und ganz auf die Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse des Betroffenen zu konzentrieren und sich darauf einzulassen, fällt selbst vielen Profis, wie Coaches oder Therapeuten schwer. Das Herz aufzumachen und die Gefühle die geäußert werden „auszuhalten“, erfordert eine gewisse menschliche Qualität.
Eigene Wünsche und Ziele an das Gespräch, als auch eigene Sichtweisen und Emotionen, sind für die Zeit in den Hintergrund zu stellen. Empathiefähigkeit erfordert ein ehrliches und aufrichtiges Interesse am anderen Menschen und eine spürbare Präsenz. Das eigene Ego hat in diesem Prozess schlicht keinen Platz.
Halbherzige Lösungen und ungute Gefühle
Bleibt die Einfühlung, also das Spenden von Empathie, in dieser ersten wichtigen Phase für die Betroffenen aus, führt das in der Regel zu halbherzigen Lösungen. Ungute Gefühle wie Unzufriedenheit, Ernüchterung oder Wut über das (wieder) nicht gesehen worden sein, bleiben zurück. Übereilte Konfliktlösungen tragen nicht zur Lösung bei. Sie verschärfen die Situation. Betroffene sind also gut beraten in Zeiten, in denen sie durch Wut und Hass gesteuert sind, ihren eigenen Gefühlen zu vertrauen und sich an Berater zu wenden, die über diese Empathiefähigkeit verfügen. Keine noch so gute Methode oder tiefenpsychologische Analyse kann diese menschliche Komponente bei der Konfliktklärung ersetzen. Konflikte mit Empathie lösen funktioniert über eine Haltung, von Herz zu Herz, von Mensch zu Mensch. Herzliche Grüße, Ihre Andrea von Graszouw
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